Sichern Raumfahrt-Missionen ab: Professor Holger Hermanns, Jan Krcal und Gilles Nies von der Universität des Saarlandes. Foto: Universität des Saarlandes
„Wenn Ihr Handy aufgrund eines leeren Akkus ausgeht, brauchen Sie oft nur wenige Minuten zu warten. Dann können Sie es wieder einschalten und zumindest kurz verwenden“, erklärt Holger Hermanns, Professor für Informatik an der Universität des Saarlandes. Experten nennen dies den „Recovery Effect“. Während Phasen von gar keiner oder geringer Entladung erholt sich die Batterie vom Kapazitätsverlust, den eine vorherige, starke Entladung verursacht hat. Laut Hermanns werde dieser Effekt jedoch nicht von dem Batterie-Modell beachtet, das bisher in der Wissenschaft als Maßstab gilt. Daher hat er gemeinsam mit seinen Kollegen Jan Krcal und Gilles Nies ein neues Modell entwickelt, mit dem man den Ladungszustand der Batterie besser vorhersagen kann. Das bisherige „lineare Modell“ betrachtet lediglich eine idealisierte Energiequelle. Damit lässt es außer Acht, dass in einer Batterie die Energie in abrufbare und gebundene Ladung aufgeteilt ist und somit oft noch Reserven vorhanden sind.

„Durch das neue Batteriemodell kann man präzise verfolgen, wie Energie vom Lager der gebundenen Ladung in das der verfügbaren wandert oder umgekehrt“, sagt Hermanns. Gerade im All ist dieses Verhalten an den Kapazitätsgrenzen und im Fall von Störungen entscheidend. Beachtet man es nicht, kann das Ergebnis eine zu schwere und zu große Batterie sein, die kostbaren Platz für Ausrüstung und weitere Experimente verschwendet. Das geschah bei früheren Missionen. „Bei der Planung der Satelliten Envisat und Cryosat wurde das alte Modell tatsächlich herangezogen“, bestätigt Hermanns.

Mit ihrem neuen Modell können die Computerwissenschaftler nun nicht nur die geeignetere Batterie auswählen, sondern auch für jede Zeitspanne die Wahrscheinlichkeit berechnen, dass die Batterie nicht entladen sein wird. Erprobt haben sie es am dänischen Satelliten GOMX-1. Das ist ein Miniatur-Satellit, der momentan als Quader mit den Maßen 10 x 10 x 20 cm und mit einem Ladegewicht von 1,2 kg um die Erde kreist. Elf Solarmodule speisen dabei eine Batterie von fünf Amperestunden. Hersteller ist das dänische Unternehmen „GomSpace“. Peter Bak ist dort Leiter des operativen Geschäftes und arbeitet bereits an dem Nachfolger GOMX-3: „Das Design und die Missionsplanung von GOMX-3 können aufgrund der Ergebnisse aus Saarbrücken deutlich effizienter werden. Wir rechnen nun damit, dass wir etwa 50 Prozent mehr Aufgaben erledigen können“, erklärt Bak.

Die von den Saarbrücker Informatikern gewonnenen Erkenntnisse helfen jedoch nicht nur im Weltraum, sie lassen sich auch für den Energiebedarf von Elektroautos verwenden. „Bisher war nur die Antwort auf folgende Frage möglich: Schaffen Sie es unter idealisierten Bedingungen mit der vorhandenen Ladung bis zum Frankfurter Flughafen? Jetzt können wir auch beantworten, ob die Wahrscheinlichkeit größer als 99,99 Prozent ist, dass Sie es trotz Störungen schaffen“, so Hermanns.

Hintergrund Miniatur-Satelliten
Sie gelten als kommendes Werkzeug im All. Die europäische Raumfahrtbehörde ESA hat bereits ein eigenes Programm dazu aufgelegt. Der Software-Konzern Google und der US-amerikanische Finanzdienstleister Fidelity haben unlängst eine Milliarde Dollar in das SpaceX-Programm für ein auf Miniatur-Satelliten-gestütztes Internet investiert.

Hintergrund Informatik an der Universität des Saarlandes
Den Kern der Saarbrücker Informatik bildet die Fachrichtung Informatik an der Universität des Saarlandes. In unmittelbarer Nähe forschen auf dem Campus sieben weitere weltweit renommierte Forschungsinstitute. Neben den beiden Max-Planck-Instituten für Informatik und Softwaresysteme sind dies das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI), das Zentrum für Bioinformatik, das Intel Visual Computing Institute, das Center for IT-Security, Privacy and Accountability (CISPA) und der Exzellenzcluster „Multimodal Computing and Interaction“.

Weitere Informationen:

Holger Hermanns, Jan Krcal, Gilles Nies
„Recharging Probably Keeps Batteries Alive“

Informationen zur GOMX-1-Mission

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Redaktion:
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